"Ist Training auf
nüchternen Magen nun sinnvoll oder gefährlich?
Von Jürg Hösli (Ernährungswissenschafter, arbeitet bei
Sporthomedicum, dem Institut für Sportmedizin in Trier und in Winterthur)
Morgenstund hat bekanntlich Gold im Mund, aber beim
Ausdauersportler kein Frühstück. Nach diesem Motto empfehlen diverse Trainer
ein sogenanntes Nüchterntraining. Dieses dauert eine halbe bis eine ganze
Stunde und wird direkt nach dem Aufstehen bei moderater Intensität
durchgeführt. Ist das sinnvoll oder im Gegenteil sogar gefährlich? Hier
widersprechen sich die Meinungen von Fachleuten oft. Das Gute ist: Beide Lager
haben recht.
Blenden wir einmal zurück in die Steinzeit und betrachten
den damaligen Tagesablauf. Wir waren physiologisch so programmiert, dass wir
direkt nach dem Aufstehen Leistungen wie Holz holen oder kleinere Esswaren
sammeln energetisch leicht erledigen konnten. Durch das am Morgen stark erhöhte
Stresshormon Cortisol wird dem Körper Energie in der Form von Fett, aber auch
Eiweiss zur Verfügung gestellt. Kohlenhydrate spielen in der
Energiebereitstellung eine eher untergeordnete Rolle. Wir können also
festhalten: Ein Nüchterntraining entspricht durchaus einer «artgerechten»
Benutzung des Körpers, und es wird in diesem Training sogar besonders viel Fett
verbrannt.
Leider ist das nur die eine Seite der Medaille. Denn beim
Verbrennungsprozess werden wie erwähnt auch Aminosäuren, also wichtige Eiweisse
aus der Muskulatur und funktionelle Proteine aus dem Blut als Brennstoff
verwendet. Dies schwächt den Körper. Es wird nicht nur aktive Masse abgebaut,
sondern auch das Immunsystem negativ beeinflusst. Und genau hier sollte man
auch ansetzen in der Erklärung, für wen ein Nüchterntraining sinnvoll ist und
für wen nicht.
Menschen, die eine normale oder höhere Muskelmasse besitzen,
deren Gesundheitszustand gut ist und die keinen hohen Stressfaktor im Leben
haben, können absolut von dieser Trainingsform profitieren und so
energiegeladen nach einem folgenden kohlenhydratreichen Frühstück in den Tag
starten. Personen, die sehr schlank sind, tendenziell Probleme mit Entzündungen
oder der Immunsituation haben, sollten darauf eher verzichten. Sie würden ihrer
Gesundheit mehr Schaden zufügen als helfen.
Es gibt jedoch noch eine weitere Variante, die aus der
fernöstlichen Ernährungsgewohnheit übernommen werden kann: Nehmen Sie rund 15
Minuten vor dem Training eine scharfe Bouillon mit Ingwer, Chili, Pfeffer und
einem pochierten Ei, vielleicht sogar etwas sehr dünn geschnittenes, mageres
Rindfleisch zu sich. Sie werden den ganzen Morgen voller Energie sein und durch
die Extraportion Eiweiss trotz maximaler Fettverbrennung eine Muskelschonung
erzielen. En Guete!"
Man beachte den Schlusstipp... Dann gehe ich lieber laufen!